Es ist erstaunlich, wie geschickt oft schon kleine Kinder mit Smartphone, Tablet und derlei Gerät hantieren. Ich finde das ok. Nicht ok. finde ich, wenn es das Einzige ist, womit sie geschickt hantieren, ständig reinglotzen und mit 5 Jahren schon bedenkliches Suchtverhalten an den Tag legen, aber keinen Ball fangen können. Das aber ist nicht die Schuld der Kleinen, sondern derer, die sich für erziehungsberechtigt halten. Wenn man Kinder ernst nimmt – und das sollte man zwingend tun – muss man sich die Mühe machen, sich um sie zu kümmern. Und dazu gehört ein sinnvolles Angebot, womit sie sich beschäftigen können. Bekommen sie nur Hightech, spielen sie auch nur Hightech. Das Genöle, dass die Jugend immer nur ins Handy glotzt, finde ich verlogen. Meist sitzen die Eltern daneben und tun genau das Gleiche. Die Kiddies werden von klein auf vorm Bildschirm geparkt.
Dabei ist es nicht besonders anstrengend, Kindern adäquate Spielmöglichkeiten anzubieten. Wenn man Kinder in Ruhe lässt, spielen sie ganz automatisch. Denn pädagogisch sinnvoll ist nicht nur, was oder womit sie spielen, sondern dass sie spielen. Spielen im Sinn von freiem Ausprobieren, Phantasie entwickeln, Seitenwege checken und dabei spielerisch lernen. Computerspiele bieten das meist nicht, weil sie nur bestimmte Handlungsräume vorsehen. In denen müssen beispielsweise Aufgaben gelöst werden, um nächste Level zu erreichen. Kann man machen. Macht auch Spaß. Verlangt Leistung und Konzentration. Aber mit Spielen hat es nicht wirklich etwas zu tun.

Ich durfte Zeit mit einem 5-jährigen Kind verbringen. Wie immer, wenn der Kleine zu Besuch ist, schleppt er als erstes die paar Spielsachen an, die immer griffbereit stehen. 5 Matchbox-Autos werden auf der Holzgarage mit Rampe geparkt. Ein paar Bauklötze werden dazu geholt, ein paar Schleichtiere, Jonglierbälle, bunte Hüpffrösche. Wenn das zu Ende gespielt ist, geht der junge Mann auf Pirsch durch die Wohnung. Eine Weile wird das Schlagzeug wild bearbeitet. Dann muss dringend geschaukelt werden.
Bei seinem letzten Besuch entdeckte er im Brennholz eine Sammlung von ca. 30 Papprollen, die mal als Innenleben von Küchenpapier dienten. Er brachte in die Küche, was er tragen konnte. Ich zeigte ihm, dass man auf den Papprollen mit dem Mund Geräusche machen kann. Das wurde dann gleich ausprobiert, aber wir kamen damit nicht weit, weil wir dauernd lachen mussten.

Da ich gerne Schusserbahnen und Tunnel baue, durch die man lustige Sachen schicken kann, lag es nahe, die Rohre ineinander zu stecken und Matchboxautos durchsausen zu lassen. Theoretisch. Von den 5 Matchbox-Autos passten nur 3 durch. Das stellte der Kleine erst fest, nachdem er versucht hatte, einen Pickup durch die Öffnung zu quetschen. Rein ging. Aber raus? Keine Chance. Wir mussten das Gefährt unter Einsatz unseres Lebens mit einer Kinderschere freischneiden. “Wir sind Feuerwehrleute, gell?!” Nachdem geprüft worden war, ob alle Insassen unverletzt waren (“Ich bin nämlich ein Doktor”), konnten wir mit dem Tunnelbau weitermachen. Die Röhre war ca. 4 Meter lang und lag, abgestützt von Kissen, Stuhllehnen, umgedrehten Töpfen und wackeligen Bauklotzkonstruktionen einmal quer durchs Zimmer.

Das erste Auto kam durch und rauschte mit vollem Tempo am unteren Ende hinaus, durch die offene Küchentür unter den Kühlschrank. Zonk! Große Aufregung. Das Auto, eines von den dreien, die durch die Röhre passen, war verschwunden. “Kein Problem”, beruhigte ich,” kein Problem, das holen wir da wieder raus.“ Wir lagen beide mit dem Gesicht auf dem Küchenboden, der, wie ich festellen konnte, mal wieder gewischt werden sollte. Ok. so ging das nicht. Taschenlampe. Kurze Belehrung, dass man nie in eine Taschenlampe hineinschauen darf, weil das ganz schlecht ist für die Augen. Ich klappte einen Meterstab aus und versuchte, das Auto unter dem Kühlschrank rauszufischen. Interessant, was da alles liegt, wenn man eine Taschenlampe hat. Mein Mitstreiter wollte die Taschenlampe halten.“Ja klar, gerne, aber du weißt: nicht hineinschauen“. Also wir beide wieder flach auf dem Boden. Ich stocherte nach dem Auto und behielt den Kleinen im Auge. Das hätte ich nicht tun sollen, denn genau da hinein leuchtete er mit meiner superhellen, super LED, super Leuchtkraft, super Lampe. Kurzzeitig erblindet nahm ich die Lampe an mich. “Aber ich hab doch gar nicht reingeschaut!!!” Entrüstung. “Nein, nein alles gut. Nur darfst auch nicht Andere anleuchten.” Das Matchboxauto hatte sich auf die Seite gedreht und verkeilt. “Oh ein Unfall, ich komm mit mein’ Abschleppwagen, weil ich bin Autoreparier”. Mal eben den Schraubenzieher geholt, die Verkleidung abgeschraubt, Auto rausgezogen, versucht, die Verkleidung wieder  anzuschrauben, aber natürlich passt nachher nicht mehr, was vorher noch 1A funktioniert hat. Mit Spucke und Zauberei dann doch irgendwie wieder alles festgezurrt.

Mittlerweile war unsere tolle Tunnelbahn, der Schwerkraft folgend, in sich zusammengeklappt und von den Bauklötzen gerutscht. Da aus dem Spiel die Luft sowieso raus war, schnappte sich der Kleine ein paar Stücke der Exautobahn und rannte durchs Zimmer. “Ich muss jetzt hier alles ausmessen mit meinem Meterstab”. Kurz darauf musste, während ich die Folgen des umgestoßenen Wasserglases beseitigte, “alles repariert” werden “mit dem Alleswerkzeug” und nach einer Weile wurde aus den Papprohren ein “Fernsehglas, mit dem man bis in den Himmel und bis zu den Bergen und zum Mond schauen kann”.

Zwei Gläser Orangensaft und eine Butterbreze später sollten die Papprohre in der Regentonne einen Zaubertrank anrühren. Im Nu waren sie vollgesogen und hingen schlapp in den kleinen Kinderhänden. Staunen, verstehen, grinsen. Jugend forscht. Ein güldener Moment.