Therapeutisches Motorradfahren ist natürlich Quatsch. Aber ich glaube schon, dass beim Motorradfahren ein paar Dinge vor sich gehen, die ich mir auch als Trainerin für meine Teilnehmer wünsche.
In unserer Küche hängt ein Blechschild, auf dem sinngemäß steht, dass Du vor der Praxis eines Seelenklempners kein geparktes Moped finden wirst. Es ist ja nicht so, dass wir Zweiradler keine Probleme hätten oder dass wir alle mit dem Leben besser klar kämen. Aber wenn man auf der Karre sitzt, ist alles schon nicht mehr so schlimm. Also natürlich ist immer noch alles genauso schlimm wie vorher, aber es fühlt sich anders an.

Spätestens nach den ersten Kilometern hat man Grinsen im Gesicht, das Herz wird leichter und es machen sich Gedanken breit wie “Jetzt einfach zum Gardasee durchfahren…” oder “Frühstück in Maastricht!”. Der ganze Mist, den man gerade hinter sich lässt, kann einem gestohlen bleiben. Man weiss dann ganz einfach wieder, was wirklich wichtig ist. Es ist nämlich nicht nur der größte Teil der sogenannten Alltagsprobleme nicht wichtig, sondern es ist auch vollkommen egal, ob Du mit einer 125er ins nächste Dorf tuckelst oder ob Du 100 PS unterm Hintern hast.

Motorradfahren ist ein Gefühl, eine Haltung, eine Lebenseinstellung. Deshalb sollte man einem Motorradfahrer auch niemals das Fahren untersagen. Es ist so, als würde man ihm verbieten, zu essen oder ihn bitten, nicht mehr zu atmen. Das macht nicht glücklich.

Was aber macht am Motorradfahren glücklich?

  • Du hörst auf, zu grübeln. Du steigst aus dem Gedankenkarussell aus, das Dich immer im Kreis rumschickt und kein Stück weiter bringt. Denn Du musst Dich auf die Strasse konzentrieren.
  • Du musst genau das tun, was Du gerade tust und kannst es Dir nicht leisten, vollkommen abzuschweifen.
  • Gleichzeitig wird die Birne frei, entspanntes Nachdenken hilft, alles ein wenig anders zu sehen als noch zuvor.
  • Du musst Entscheidungen treffen. Und zwar schnell.
  • Du brauchst ein Gefühl für das, was Du gerade tust. Die Maschine verzeiht keine allzu großen Fehler.
  • Du solltest Dich entspannen, sonst stresst das Fahren. Vorallem wenn Du eine etwas größere Maschine fährst.
  • Du musst hellwach sein, weil immer mit den Anderen zu rechnen ist.
  • Du bist ganz bei Dir. Du brauchst nicht zuhören und nicht reden. Du bist der Boss.
  • Du öffnest Deine Sinne und dadurch nimmst Du alles intensiver war. Das macht froh, oft richtig glücklich.

Das Gefühl kenne ich auch vom Klettern. Jede Ablenkung wird ausgeblendet. Der Fokus liegt ganz genau da, wo man in dem Moment gerade ist. Volle Konzentration. Beherrschung von Körper und Geist. Meistern einer Aufgabe. Hier. Jetzt. Selbst. Ich nehme an, so mancher Sportler wird das auch aus seiner Disziplin bestätigen.

Das ließe sich aufs Feinste mit den Ergebnissen der Glücks- und Hirnforschung unterfüttern. Aber dafür müsste ich jetzt die Textstellen raussuchen. Ich glaube, ich setze mich lieber auf die Karre. Die Sonne scheint. Die Straßen sind trocken. Ich höre mein Moped in der Garage nach mir rufen.

Ob ich nicht über die Gefahr nachdenke? Nein. Aber nicht, weil ich so ein Kamikaze bin, gar nicht. Über Gefahr nachdenken, lenkt ab, macht Angst. Angst aber ist ein schlechter Ratgeber und ein miserabler Beifahrer. Auf der Straße und im Leben. Man sollte wissen, was man tut und was man sich zutrauen kann.
Mich macht das Unterwegssein glücklich. Ich weiß dann, was wirklich wichtig ist. Mein Vater hat immer gesagt „Du kannst auch daheim bleiben und am Semmelknödel ersticken.“ Guter Mann.